Jacques Schiffrin – Begründer der „Bibliothéque de la Pléiade“

Jacques Schiffrin zählte zu den herausragenden Literaturverlegern des 20. Jahr­hunderts. Als Begründer der weltberühmten Bibliothèque de la Pléiade in Frankreich und als führender Mitarbeiter der Verlage Gallimard (Paris) und Pantheon Books (New York) gehörte er zu den Hauptvermittlern zwischen europäischer und amerikanischer Literatur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.  Nachdem schon die viel beachtete Autobiographie (2007) seines Sohnes, des ebenfalls bedeutenden Verlegers André Schiffrin (1935-2013), wichtige Informationen zu seinem Leben vermittelt hat, bietet mittlerweile die 2019 in New York erschienene Biographie von Amos Reichman: „Jacques Schiffrin. A Publisher in Exile, from Pléiade to Pantheon“ einen ein­drucksvollen Überblick über Schiffrins dramatische Lebenswege.

Der 1892 im zaristischen Baku geborene Jacques (eigentlich: Yakov) war der Sohn des wohlhabenden Kaufmanns Saveli Schiffrin und dessen Ehefrau Fenya Litvinova. Zusammen mit zwei Schwestern und vier Halbgeschwistern wuchs er in der damals rasant wachsenden und international orientierten Ölmetropole auf. Die Eltern waren jüdisch, legten aber auf die Religion oder die Beachtung von Tradition und Riten keinen Wert. Später schrieb Jacques, erst Hitler habe ihn zu einem Juden gemacht.

Nach einem exzellenten Schulabschluss nahm Schiffrin kurz vor dem Ersten Weltkrieg in Genf ein Jurastudium auf und blieb während der Kriegsjahre in der Schweiz. Bereits als Student baute er auf persönlicher und brieflicher Ebene ein literarisch orientiertes Netzwerk auf; Rabindranath Tagore, Literaturnobelpreisträger des Jahres 1913, gehörte zu seinen Bekannten. Als die Oktoberrevolution dem Spross der Bourgeoisie die Rückreise nach Russland unmöglich machte, zog er nach Italien und wurde in Florenz für kurze Zeit Sekretär des eminenten Kunsthistorikers und Kunstsammlers Bernard Berenson (1865-1959), etwa ab 1920 lebte er in Paris. Als Angestellter im Kunstverlag von Henri Piazza (1861-1929) vertiefte er dort seine Kenntnisse über das Publizieren besonders schöner Bücher.

Bereits Anfang 1923 wagte sich Schiffrin an die Gründung eines eigenen Verlags „Éditions de la Pléiade“. Dieser Verlag wurde ein Jahrzehnt später in der Literaturszene zu einem Weltbegriff. Entscheidend dafür war die 1931 von Schiffrin begründete „Bibliothèque de la Pléiade“. Diese Serie von ausgewählten Werken der klassischen europäischen – insbesondere französischen – Weltliteratur verband editorische Spitzenqualität und buchkünstlerische Ästhetik einerseits mit höchsten literarischen Ansprüchen andererseits – und wurde zu einem erstrangigen Symbol literarischen Renommees. Die seltene Aufnahme eines lebenden Autors kommt bis heute einer Nobilitierung gleich. Schiffrins Bibliothéque de la Pléiade gehört zum prestigeträchtigen französischen Kulturerbe: Für sein offizielles Präsidentenfoto ließ sich Macron im Élysée-Palast mit drei Büchern aus der Pléiade-Edition abbilden.

1933 wurde die Bibliothèque de la Pléiade in den Verlag Gallimard integriert, Schiffrin blieb bei Gallimard als Direktor für sein Projekt zuständig, zu dessen Erfolg er auch als Übersetzer russischer Klassiker beitrug. Mit russischen Gegenwartsautoren in Frankreich war er ebenso gut bekannt wie mit französischen, seine Bedeutung für die Vermittlung des europäischen literarischen Austausches in den 1930er Jahren wird von seinem Biographen Reichman enorm hoch eingeschätzt.  

Das bedrohliche Geschehen in NS-Deutschland überschattete zunehmend Schiffrins Leben. Nach Kriegsbeginn wurde der 47-Jährige zu einer Infanterie-Division in Versailles und zu einem Regiment der Zivilverteidigung abkommandiert. Bereits im Januar 1940 wurde Schiffrin, körperlich schwach, äußerst mager (180 cm, ca. 55 kg) und an einem Lungen-Emphysem leidend, aus der Armee entlassen und zog mit seiner kleinen Familie in die Normandie, um von dort aus weiterzuarbeiten. Schiffrin hatte 1929 in zweiter Ehe Simone Heymann geheiratet, sechs Jahre später wurden sie Eltern ihres einzigen Kindes Andrè. Im November 1940 verlor Schiffrin seine Lebensgrundlage in Frankreich: Der Verleger Gaston Gallimard, der seinen Verlag während der NS-Besetzung fortführen wollte, entließ neben weiteren führenden jüdischen Mitarbeitern auch Jacques Schiffrin. Dessen Familie begab sich nun nach Südfrankreich. Nach nervenaufreibenden Monaten voller Bangen um eine Ausreisemöglichkeit gelang es Schiffrin mit Hilfe von Freunden, ein Visum für die USA zu erhalten. Im Mai 1941 bestiegen die Schiffrins zusammen mit anderen Flüchtlingen, begleitet von „Dreckige Juden!“-Rufen der Hafenarbeiter, ein Schiff in Marseille. Es wurde in Casablanca festgehalten, erst Anfang August konnte die Überfahrt auf einem überfüllten Flüchtlingsschiff fortgesetzt werden. Am 20. August erreichte die verängstigte Familie sicheren Boden in New York. Im Kontakt mit anderen Emigranten versuchten die Schiffrins, sich unter schwierigsten Bedingungen in New York zu behaupten. Im April 1942 schrieb Jacques an seinen Freund André Gide: „Ich bin immer noch arbeitslos, was mich völlig demoralisiert. So müde, dass ich umfallen könnte. Mehr Husten als je zuvor, dauernd rauchend, verzweifelt und zutiefst traurig, habe ich das Gefühl, dass mein Leben vorbei ist […]“. Trotzdem wagte er sich 1943 an eine neue Verlagsgründung; sein Wunsch, die Pléiade-Bibliothek in den USA fortzusetzen, scheiterte in Verhandlungen mit Gallimard. 1944 schloss er sich dem kurz zuvor vom deutsch-jüdischen Emigranten Kurt Wolff (1887-1963) – dem frühen Verleger Kafkas – gegründeten Verlag Pantheon Books an. Dank Schiffrins Mitarbeit wurde Pantheon Books rasch zum wichtigsten Übermittler europäischer Literatur in die USA. Schiffrin selbst zählte mit seiner Arbeit und seinen Kontakten zu den maßgeblichen New Yorker Verlegerpersönlichkeiten und war für den Erfolg namhafter Autoren von maßgeblicher Bedeutung. Finanziell blieb seine Lage allerdings prekär, körperlich war er weiter äußerst geschwächt. Am 17. November 1950 erlag der Ausnahmeverleger seinem Lungenleiden, seine Asche wurde 1951 auf dem Pariser Friedhof Pére Lachaise beigesetzt.   

Erstaunlich ist es, dass Eliot nach eigenen Angaben angeblich nie das Verlangen hatte, etwas über den Autor Edwin Arnold zu erfahren. Damit betont er noch einmal, wieder auf einem vielleicht höflichen Umweg, dass er diesen für nicht so wichtig hält. Aber wie kann man, gerade als angelsächsischer Intellektueller, uninteressiert daran sein, etwas über einen Arnold erfahren zu wollen? Warum wollte Eliot beispielsweise nicht wissen, ob Edwin Arnold ein Verwandter von Matthew Arnold ist, den er doch so hoch schätzte und mit dem er sich stark beschäftigte? An mangelndem genealogischem Interesse kann es bei dem abstammungsbewussten Nobelpreisträger nicht gelegen haben. Es scheint einfach so zu sein, dass er an Menschen mit – seiner Überzeugung nach – geringerer Begabung letztlich kaum interessiert war. Und eben dies hat er mit seinen wenigen Bemerkungen über den von ihm gern gelesenen Edwin Arnold noch einmal deutlich gemacht.  

Edwin Arnold und T. S. Eliot

Der englische Dichter und Journalist Edwin Arnold (1832 – 1904) gehört zu den gar nicht so zahlreichen Schriftstellern, von denen ein ungleich bekannterer angelsächsischer Stammesgenosse, der illustre Literaturnobelpreisträger T. S. Eliot, ausdrücklich bekannte, dass er ihm etwas bedeute. Eliot bezog sich dabei konkret auf Arnolds 1879 veröffentlichtes Langgedicht „The Light of Asia“. In seinem Essay „What is minor poetry?“ (1944) erwähnt Eliot, dass er als Junge Arnolds „The Light of Asia“ kennengelernt habe und dass es ihm auch heute noch sehr ans Herz gewachsen sei. Er habe das Gedicht mit größtem Vergnügen – und das sogar mehrmals – gelesen. Dieses schöne und außerordentliche Lob des Werks von Edwin Arnold wird leider dadurch etwas getrübt, dass Eliot darüber eben gerade im Zusammenhang von minor poets schreibt und er offenkundig Arnold für einen dieser geringeren Dichter hält. Verschweigt Eliot an dieser Stelle, dass ihn dieser angeblich geringere Dichter vielleicht doch recht stark beeinflusst hat? Immerhin ist es denkbar, dass Eliots bekanntes Interesse an Indien und Sanskrit gerade auch durch die Lektüre des indophilen Gedichts von Edwin Arnold beeinflusst, verstärkt, wenn nicht sogar hervorgerufen wurden. Eliot hebt immerhin hervor, dass er „The Light of Asia“ bis zum heutigen Tag für ein gutes Gedicht hält und dass er sich zu jemandem hingezogen fühlt, der es ebenfalls gelesen hat und Gefallen daran findet.